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.: Geocaching auf Deutschlands größter Insel :.

Aus den Archiven des Cacheministeriums

Der große Einsatzbericht der beiden Agenten des Cacheministeriums im Kampf gegen ENCIPHER_HGW und die mysteriöse Doppelagentin. Leider klaffen einige Lücken, da ein gemeiner Hackerangriff wertvolle Daten unwiederbringlich löschte!

Hier geht’s zum Bericht.

 

Log Teil I

Ort: Tallinn, Estland (F´s Strandhaus)

Zeit: 20 Jahre nach dem Vorfall

Sander steuerte den alten BMW über die neuen und gut gepflasterten Straßen des Vorortes von Tallinn. Nur Leute, welche es sich wirklich leisten können, wohnten hier. Der alte 5´er fiel in dieser Gegend richtig auf. Im Stadtverkehr Tallinns war mit diesem Fahrzeug nahezu unsichtbar, hier wirkte er underdressed.

Während er sich die Villen, an denen er vorbei fuhr, näher betrachtete, verpasste er beinahe seine Abfahrt. Er musste abrupt bremsen und die alten Bremsen verrichteten laut protestierend ihre Arbeit. Er kam am Ende einer kurzen Straße mit Ostseeblick zum Stehen. Vom Auto aus beobachtete er die Villa. Es war ein Haus bei dem man schwer das wahre Alter hätte schätzen können. Mit Sicherheit wird in dieser alten aber gut gepflegten Fassade einiges an moderner Technik stecken. Das Ministerium sorgt gut für die seinen. Jedenfalls wenn sie lange genug überleben. Sander war sich ziemlich sicher, dass seine Ankunft bereits registriert worden war, zuckte mit den Schultern, es hatte ja eh keinen Sinn zu warten, schnallte sich los und verließ das Auto. In der Nähe hörte er das Rauschen des nahen Strandes. Große Wellen brachen an der schroffen Küste. Die salzige Luft war allgegenwärtig. Nicht die abgestandene Stadtluft, wie sie in der City vorherrschte, hier, ein paar Kilometer stadtauswärts, herrschte ein ganz anderes Klima.

Sander zog die frische Luft tief ein und versuchte sich mit langem Ausatmen zu entspannen. Doch das drückende Gefühl ließ nicht nach, ständig hatte er den Eindruck beobachtet zu werden. Langsam näherte er sich dem Grundstück. Der alte schmiedeeiserne Zaun war mit dicker schwarzer Farbe bemalt. Das große Eisentor wirkte nicht wirklich einladend.

Gedanklich ging Sander noch einmal jedes Detail seines Auftrags durch, gerade wollte er den Knopf für die Gegensprechanlage drücken, als aus dieser eine ruhige und kalte Stimme erklang:

„Wer sind Sie und was wollen Sie von mir?“

Überrascht zuckte Sander zusammen, schnell jedoch gewann das Ministeriumstraining wieder die Oberhand über sein Handeln. Gerade wollte er sich vorstellen, als die Stimme ihn erneut unterbrach: „Was ist nun Junge? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.“ „Entschuldigen Sie das sich störe Sir. Das Ministerium schickt mich. Ich möchte mit ihnen reden.“ „Das Ministerium sagen Sie? …. hmmm.... Normalerweise schicken die mir nur Grünschnäbel oder Schreibtischtäter. Beide Gattungen mag ich nicht. Zu welcher Gattung gehören sie?“ Sander überlegte kurz. „Ähh...“ „Bist dir selbst nicht sicher, was? Na gut, komm rein. Wir werden schon sehen aus welchem Holz du geschnitzt bist.“

Das alte Eisentor klackte und schwang langsam auf. Sander beschritt den breiten Weg zum Haupteingang. Der Weg war mit alten flachen Strandsteinen ausgelegt. Eigentlich ein kleines Kunstwerk. Als sich Sander bis auf 25 Meter dem Eingang genährt hatte, öffnete sich plötzlich die Haustür. Ein Mann Ende Vierzig, Anfang Fünfzig schaute hinaus. Etwas forschendes lag in seinem Blick. Nur die linke Seite seines Körpers war zu sehen. Die linke Hand ruhte locker auf dem Türgriff, die rechte Hand war nicht zu sehen. Zweifelsohne hielt diese Hand noch eine Überraschung für ungebetene Gäste bereit. „Junge, verzeih mein Misstrauen, aber du solltest dich legitimieren, nicht das du mir noch meinen schönen Garten ruinierst.“

Die Beiläufigkeit mit der der Mann die Worte aussprach, ließ keinen Zweifel an der Tatsache, dass er ohne mit der Wimper zu zucken seinen „Garten“ ruinieren würde, sollte dies notwendig werden. Schnell stellte Sander seinen Aktenkoffer auf den Weg und griff in die Innentasche seines langen schwarzen Mantels, um seine Ausweischipkarte hervorzuholen....

„Woooah Junge, wenn du in diesem Geschäft alt werden willst, lässt du solche hektischen Bewegungen! Name, Alter, Abteilung, Codewort!“

 

Log Teil II

Sander konnte quasi spüren wie die Mündung einer Waffe auf ihn gerichtet wurde, konnte das leise Klicken hören, welches erklingt wenn der Abzug vorgespannt wird.

„Sander Tamm, 26 Jahre, Cacheministerium, Bezirk Tallinn, Estland, Kirsipuu13“ versuchte Sander möglichst ruhig zu sagen. Stille folgte. Einige Sekunden später nickte der Mann an der Tür, sein Gesicht wurde von einem Display, welches wohl hinter der Tür liegen musste, schräg von rechts unten angestrahlt. „Scheint zu stimmen. Komm rein Junge, sei mein Gast.“

Die schwere Holztür schlug hinter Sander ins Schloss. Er war sich ziemlich sicher, dass selbst wenn er versucht hätte mit seiner Dienstwaffe durch diese Tür zu schießen, dieses nicht von Erfolg gekrönt gewesen wäre.

„Tee?“ „Ja, gerne.“ „Geh schon mal durch ins Wohnzimmer Junge, ich komm gleich nach.“ Sander tat wie ihm geheißen und betrat einen Raum, der gut und gerne eine Mischung aus einer alten Bibliothek und einem Redaktionsbüro hätte sein können. Zwei der Wände wurden von großen Bücherregalen eingenommen, eine Wand bestand komplett aus Glas und bot einen fantastischen Meerblick, die dritte Wand wurde von einem großen Schreibtisch dominiert auf welchem ein großer Bildschirm stand, der derzeit Bilder von einzigartig schönen Sonnenuntergängen in einer endlosen Schleife wiederholte. An der Wand über dem Bildschirm hingen in Bilderrahmen Zeitungsartikel in den unterschiedlichsten Sprachen. Sander kannte jeden einzelnen Artikel. „mysteriöses Cacheminsterium steht in Zusammenhang mit geheimen Filmmaterial“ prangte groß aus einem der Bilderrahmen. Sander wandte sich ab und ging zum Fenster. Genau deshalb war er hier.

Ein großer Tisch aus dunklem Tropenholz stand in der Mitte des Raumes, die bequemem Stühle luden zum Ausruhen ein. „Setz dich mein Junge, und erzähl mal was dich zu mir führt.“ Mit diesen Worten stellte Sanders namenloser Gastgeber eine dampfende Tasse Tee vor ihm auf den Tisch und setzte sich ihm gegenüber. Er stellte die Ellenbogen auf den Tisch und legte die Fingerspitzen aufeinander, legte das Kinn an die Daumen und sah Sander über seine Hände hinweg durchdringend an.

„Fangen Sie an, ich bin gespannt.“

Wortlos deute Sander auf den großen Zeitungsartikel über dem Schreibstich und sah seinem Gegenüber fest in die Augen. „Deswegen bin ich hier“.

Eine Weile bewegte sich niemand am Tisch. Unterbrochen wurde die Stille nur durch das Ticken einer antiken Uhr und den dampfenden Teetassen auf dem Holztisch. Langsam stahl sich ein Lächeln auf das Gesicht des Gastgebers. „Warum, Junge? Diese ganze Geschichte ist mittlerweile ca. 20 Jahre her.“ „Wie sie sicherlich wissen, hat das Ministerium ein langes Gedächtnis. Und es gibt einige Dinge, welche es vermutlich nie vergessen wird.“ Sander machte eine kurze Pause und musterte sein Gegenüber sehr genau. „ Wir haben neue Hinweise auf die Doppelagentin, welche sie und ihren Partner damals verriet.“ Stille senkte sich über den Raum und eine gefühlte Ewigkeit zeigte Sander Gastgeber keine Reaktion. Sein Blick schien in die Vergangenheit gerichtet zu sein, fast so als ginge er die damaligen Ereignisse nochmal genauesten durch. Plötzlich fixierte der berechnende Blick des Gastgebers wieder Sander. „Werden R und ich Teil der Mission sein?“ „Es ist geplant sie im Operationsführungsstab einzusetzen, Sir.“ „Hmmmpf...“ Der Gastgeber zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. „Natürlich sind die Details noch nicht entschieden und man kann an der Zusammenstellung den Teams noch feilen“ beeilte sich Sander dem namenlosen Gastgeber zu versichern. „R und ich sind im Feld bei weitem besser aufgehoben. Aber das werden wir mit ihrem Vorgesetzten und dessen Vorgesetzten schon klären können.“ entgegnete Sanders Gegenüber ruhig. „Nimm deine Tasse Tee, mein Junge, und setzte dich zu mir ans Fenster. Damit wir eine schöne Aussicht haben, während ich dir erzähle was damals wirklich passiert ist.

 

Log Teil III

R und ich waren ein paar Jahre älter als du jetzt und hatten gerade bei der Firma angefangen, als....“

 

Ort: Stralsund, Deutschland (Frankendamm)

Zeit: ein Tag vor dem Vorfall

Die Erinnerungen an diesen Tag sind noch sehr lebhaft, manchmal, ja manchmal träume ich davon. Wie schon einige Tage zuvor saßen wir zur Mittagszeit im Antalya-Döner im Frankendamm und machten uns Sorgen um unsere Zukunft. Immer wieder schoben wir das letzte Kleingeld über den Tisch und diskutierten wer nun den Anruf tätigen soll. Das Geld war knapp und wir brauchten dringend Arbeit... uns gingen die Alternativen aus. Vor einigen Tagen hatte R bei einer Internetrecherche ein interessantes Jobangebot entdeckt. Allerdings waren wir uns nicht so wirklich sicher ob dieses auch ernst gemeint war. „Große Behörde sucht Mitarbeiter im Außendienst“ stand in großen Lettern über dem Jobangebot. Internationale Arbeit, sowie gute Aufstiegschancen wurden angepriesen. Hätten R und ich damals gewusst worauf wir uns eingelassen würden, hätten wir uns vermutlich etwas anderes gesucht. Das wir nicht einmal 24 Stunden später uns vor mit Maschinenpistolen bewaffneten Männern verstecken mussten und einen unserer Kollegen tot auf einer Treppe auffinden würden, hätte wir damals nie geahnt.

Der gut gekleidete Mann, welcher unserer „Bewerbungsgespräch“ führte, erklärte uns zuerst, dass wir unsere „normalen“ Namen sofort vergessen könnten. Innerhalb und außerhalb der Behörde werde nur mit Codebezeichnungen gearbeitet. Einsatzagenten (dazu sollten auch wir zählen) erhielten Farbcodierungen und wenn man lange genug überlebt, würde diese in eine Buchstabenbezeichnung umgewandelt. Er stellte sich als Agent L vor und eröffnete uns unsere Einsatzbezeichnungen. Aus R wurde Agent rosé und aus mir Agent flieder. Ich warf damals R einen kurzen Seitenblick zu... sein Blick sagte alles.

Zurückblickend betrachtet glaube ich nicht, dass das Ministerium wirklich mit unserem Überleben während unseres ersten Falles rechnete. Vermutlich hätten wir dann weniger peinliche Namen erhalten. Aber es hat auch einen Vorteil wenn man als entbehrlich und Frischling eingestuft wird, man hat nichts zu verlieren.

Agent L machte am Ende des „Bewerbungsgesprächs“ klar, dass es keine andere Möglichkeit als die Annahme dieses Jobs geben könne, rechneten wir ernsthaft damit die Sonne am nächsten Tag aufgehen zu sehen. Jetzt da wir von der Existenz des Ministeriums wussten, galt es dieses Wissen geheim zu halten. Dies war auch wichtig, denn wie wir bald erfahren mussten, hatte das Ministerium nicht nur Verbündete.

Die weiteren Ereignisse nach unserer „Rekrutierung“ für das Ministerium verliefen in atemberaubendem Tempo ab. Unsere Namen verschwanden aus den Melderegistern und meine Wohnung bewohnte einen Tag später schon ein älterer Herr, welcher vermutlich Stein und Bein geschworen hätte, dass er hier schon seit 40 Jahren wohnen würde. Und vermutlich hätte sich niemand im Haus gefunden, welcher ihm widersprochen hätte.

Dass die Jungs vom Ministerium gründlich und schnell arbeiten, kann man wohl mit Fug und Recht behaupten.

R und ich erhielten eine Blitzbesohlung in Dechiffrier- und Chiffriertechnik, damit wir die Auftragsinformationen, welche wir von vorgesetzter Stelle erhielten auch verstanden. Anfangs stellten wir uns hier mehr als blöd an und fanden einfach nicht den richtigen Einstieg in die Problematik. Ein paar gut gezielte Schläge mit dem langen Lineal von unserem Codeinstruktor Agent E später, entschied dieser das wir als Kanonenfutter reif für unseren ersten Auftrag seien. Geschafft verließen wir nach unserem ersten „Arbeitstag“ beim Ministerium das „Büro“ und begaben uns zu unserer Scheinwohnung.

„Eh, Mann hättest du das je gedacht, dass wir beide mal Agenten für ein Ministerium sein würden?“ :fragte mich rosa, als wir auf die belebte Straße vor dem Ministeriumsgebäude traten. „Yeah, das ist genau mein Ding, Baby. Oh, benimm dich!!!“

 

Log Teil IV

„Alter, wenn ich noch einen Austin Powers Spruch von dir höre, schwöre ich, ich werden meine neue Supergeheimagentennotfalltooluhr nehmen und dir ein paar Curarepfeile verpassen und dich dann aus Fenster hängen!!!“ wetterte ich meinen Freund an. Keine zwölf Stunden später wünschte ich mir wirklich eine solche Uhr zu besitzen.

Die Instruktionen für unseren ersten Auftrag erreichen uns beim Frühstück am nächsten Morgen. Sie lagen einfach auf dem Stubentisch als wir erwachten. Wie sie dahin gekommen sind? Keine Ahnung!

Während R literweise heißen Kaffee in sich hinein schüttete, las ich die Anweisungen. Wir sollten einen der Agenten des Ministeriums treffen und diesem beim Bergen eines alten Videofilms helfen. Hmmm, das klang nicht wirklich nach einer Heldentat. Es solle sich um Unterlagen von „höchsten“ Wert für das Ministerium handeln. Ich zuckte nur mit den Schultern. Kann ja nicht so wichtig sein, wenn das Ministerium Frischlinge wie uns an das Ruder lassen würde. Nachdem wir gut gefrühstückt hatten, traten wir auf die Straße vor unserer Wohnung. Kaum hatten wir einen Schritt auf die Bordsteinkante zugemacht, hielt neben uns ein schwarzer Transporter mit quietschenden Reifen. Die Fahrertür ging auf und ein groß gewachsener Mann stieg aus dem Wagen. „Guten Morgen. Ich bin Agent Ocker von der Fahrbereitschaft. Ich soll euch beiden Frontschweine zum Zielgebiet bringen.“

Wortlos steigen R und ich in den Wagen. Zielsicher und mit halsbrecherischer Geschwindigkeit chauffierte Agent O. uns zu unserem ersten Einsatzort. Zwischendurch erklärte uns Ocker, dass er noch nicht so lange beim Ministerium arbeiten würde und noch nicht mit auf Einsatzmissionen dürfte, da er den Chiffriertest nie bestanden hätte. Wir luden ihn ein uns ein Stück zu begleiten, doch schon nach wenigen Stationen verließ er die Gruppe wieder mit einer fadenscheinigen Begründung. „Ich muss noch zur Arbeit, Jungs. Mann sieht sich...“

Zuerst nahmen wir an, er wäre die undichte Stelle gewesen, welche unsere Ankunft im Zielgebiet an die Doppelagentin Heike HGW und den bösen Hacker encipher.hgw verraten hatte. Nachdem alles vorüber war und weder Heike noch encipher für uns greifbar waren, beschatteten wir O. eine ganze Weile, doch er erwies sich als harmlos.

Irgendwie war es auch besser, dass er das Team zu diesem Zeitpunkt verließ, denn auf das was nun kommen sollte, war er vom Ministerium noch nicht vorbereitet worden.

R und ich näherten uns dem Zielgebäude und erkundeten die dunklen Gänge. In einem Treppenhaus fanden wir erste Kampfspuren und wenige Meter weiter eine Blutspur. Hier hätte eigentlich unser gesunder Menschenverstand einsetzen müssen und wir hätten sämtliche Beine in die Hand nehmen müssen und rennen sollen was das Zeug hält. Doch unsere Neugier war größer und wurde schlussendlich zu unserem Verhängnis. Im nächsten Gang fanden wir einen gefallen Agenten des Ministeriums. Überall in den Wänden waren Einschusslöcher. Hochgeschwindigkeitsmunition... auf Nahdistanz. Der Agent hatte keine Chance.

Keine fünf Minuten später kauerten R und ich hinter einem niedrigen Mauervorsprung und versuchten nicht zu atmen und möglichst mit dem Erdboden zu verschmelzen.

Plötzlich hatte uns das Geräusch von Stiefeln auf kaltem Stein von unserem vermeintlich einfachen Auftrag hoch schrecken lassen. R packte mich am Arm und zog mich hinter den niedrigen Vorsprung. Jedes Geräusch hätte uns in diesem Moment verraten können...

Ich schaute auf und sah die Spiegelung eines Mannes in einer schwarzen Kampfmontur mit einer weißen Armbinde am linken Arm in einer alten Fensterglasscheibe. Langsam stieß ich R mit dem Ellenbogen an und deutete auf die Scheibe. R nickte und studierte die Bewegungen des Mannes. Ich spürte wie sich mein Puls beschleunigte. R und ich sahen uns an. Lautlos bewegte ich die Lippen. „Schnell und leise.“ R nickte. Gleichzeitig packen unsere Hände den Mauersims und in einer fließenden Bewegung sprangen wir über die Kante.

 

Log Teil V

Das Adrenalin hämmerte in unseren Adern. R kam einen halben Schritt vor mir auf und war noch gut eineinhalb Schritte von unserem Freund entfernt. Er bewegte sich federnd weiter und ich sah aus den Augenwinkeln die Bewegung in seinem Schultergürtel. Er würde zuschlagen. Auch unser Gegner hatte seine erste Überraschung überwunden. Instinktiv versuchte er sein Gesicht zu decken, doch er war zu langsam. Krachend durchbrach R´s Rechte die morsche Abwehr. Der Kopf unseres Gegners zuckte nach hinten. Er ließ seinen Körper ungedeckt, Zeit dies zu nutzen. Meine günstige Ausgangsposition nutzend verlagerte ich mein Gewicht auf mein linkes Bein stieß mich ab und trat dem Schwarzgekleideten mit aller möglichen Wucht in die Rippen. Die Rückwärtsbewegung des Kopfes stoppte als der Mann zusammenklappte. R fing ihn auf und gemeinsam brachten wir in leise zu Boden. Kurze Bestandsaufnahme. Kiefer ausgerenkt, zwei Rippen gebrochen, eine weitere angebrochen, für die nächsten zwei Stunden traumloser Schlaf und vermutlich eine ganze Weile auf eine Schnabeltasse angewiesen.

Schnell durchsuchten wir den Mann. Eine Maschinenpistole, ein Funkgerät, eine Magnetkarte, Schlüssel und eine Packung Zigaretten. Nichts was uns wirklich weiterhalf. Wir beschlossen den Mann zu verstecken. Gerade hatten wir ihn in einen alten Schrank verfrachtet als uns eine fordernde Stimme erstarren lässt. Das Funkgerät war zum Leben erwacht. Es klang irgendwie nach russisch. Die Stimme klang fordernder als sie denselben Text wiederholt. Vermutlich fragte der Wachführer gerade seine Posten ab. Ich schaute R und er blickte verdutzt zurück. „Schau mich nicht an, ich versteh kein russisch!“ „Lass uns abhauen, die werden schnell mitkriegen das einer von denen fehlt. Wer weiß was das für Typen sind.“

Wir bewegten uns ständig in den Schatten, umgingen Wache um Wache bis wir plötzlich ein Gespräch mit anhören konnten. „Nein Agent White, es sind keine Eindringlinge, es sind DIE Eindringlinge! Ich hatte sie gewarnt, dass das Ministerium Leute schicken würde, um nach dem Film zu suchen. Encipher hat sich in ihre Nachrichtenwege eingehackt. Das müssten Agent Rosé und Flieder sein.“ „Rosé und Flieder? Wer soll das sein? Wir haben alle ernstzunehmenden Agenten des Ministeriums ausgelöscht.“ „Dann scheint es jemand zu sein, den selbst sie nicht kennen. Sie scheinen doch nicht der alleinige Ministeriumskenner zu sein, White.“ „Nehmen sie als Doppelagentin ja nicht den Mund zu voll, sie sind von meinem Wohlwollen abhängig!“

R und ich schauten uns an. „Kennst du die beiden?“ flüsterte R. „Keine Ahnung wer das ist. Fakt ist, das Ministerium wurde unterwandert, wir dürfen niemand trauen. Wir ziehen den Job durch, sichern den Film und tauchen unter!“ R nickte und wir schlichen weiter durch den

Schatten. Im Nebenraum fanden wir die Unterlagen, die wir suchten. Während nebenan der mysteriöse Agent White und die noch mysteriösere Doppelagentin wild stritten, raffen wir an Material zusammen was wir schleppen konnten. Mit dem ganzen Gepäck beladen war an ein leises hinaus schleichen nicht mehr zu denken. In einer Munitionskiste fanden wir Rauchbomben, die sollten genug Ablenkung liefern. Wir verabschiedeten uns mit einem Knall und nebelten die ganze Etage ein und flohen wie abgesprochen in unterschiedliche Richtungen...

 

Log Teil VI

Ort: Tallinn, Estland (F´s Strandhaus)

Zeit: 20 Jahre nach dem Vorfall

 

„Es hat damals 4 Monate gedauert, bis ich wieder etwas von R hörte“ erklärte der Gastgeber Sander. „Dieser Hacker hatte die ganze Kommunikation des Ministeriums überwacht. Über die üblichen Kanäle Informationen auszutauschen war zu unsicher geworden. Wir wussten nicht wem wir trauen konnten und wem nicht.“ Einen tiefen Schluck Tee später erzählte der Gastgeber weiter: „Wir waren immer noch im Besitz des brisanten Filmmaterials als wir erfuhren das die Doppelagentin die Daten ins Internet gestellt hatte. Es hat einiges an Anstrengung benötigt das Ministerium zu überzeugen, dass nicht R und ich das waren. Die originalen Dokumente wurden gesichert, die Geheimhaltung jedoch konnte nicht gewahrt werden. Seitdem wollen R und ich an diesen Hacker ran. Doch alle Fährten waren bisher Nieten.“ Der Blick des Gastgebers wandte sich zum Meer. Sander holte den Umschlag hervor welchen er überbringen sollte und legte ihn auf den alten Holztisch. Eine Weile blickte Agent F den Brief an und sah danach Sander an. Kein fragender Blick, kein wartender Blick. Als sich die Stille ausdehnte, durchbrach Sander das Schweigen. „Ein Ticket nach Manila und einige Satellitenbilder. Das Ministerium konnte einen Trojaner bei euren Hackerfreund einschleusen. Sehen sie die kleine Hütte in den Bergen dort auf den Bildern? Dorthin führen die Datenspuren.“ Der alte Agent nickte. „Wann?“ „So früh wie möglich. Das Ministerium will diese Sache beenden.“ „Ich breche morgen auf.“

 

F schaute dem jungen Ministeriumsangehörigen hinterher, als dieser den altersschwachen BMW zurück auf die Straße wuchtete. Als er das Motorengeräusch nicht mehr wahrnehmen konnte, ging er zu seinem Schreibtisch und setzte sich an den Rechner und verschickte eine codierte E-Mail. Sie enthielt nur 5 Wörter.

 

*Manila alter Freund. Morgen Abend.*

Lange hat es gedauert bis wir unseren Abschlussbericht für diesen Cache schreiben konnten. Ständig wurden unsere Logs vom hinterhältigen Hacker gelöscht.

Danke liebes Cacheministerium, dass ihr diesen schönen aufwendigen Cache erdacht und realisiert habt. Zwischenzeitlich kam echtes Bondfeeling auf. Dieser Cache ist definitiv ein must have.

 

Grüße

FA&FA

 

Log Teil A

Ort: Dublin, Irland (The Shelbourne)

Zeit: Herbst 2030

Es ist Frühherbst in Dublin und wie jedes Jahr werden die Tage bereits merklich kürzer. Das Laub verfärbt sich je nach Baumart in die unterschiedlichsten Rot- Gelb- und Brauntönen. Gerade geht die Sonne auf und färbt den wolkenlosen Himmel in ein zartes orangerot. Die Bäume im Park St. Stephen`s Green leuchten unwirklich.

Ich sitze an der Bar in der Lobby des „The Shelbourne“ und habe gerade beim Commis de rang meine Frühstücksbestellung abgegeben. Wie gewöhnlich sitze ich fast alleine hier und nehme meine Mahlzeiten ein, denn der Speiseraum ist viel zu unübersichtlich. Ich bevorzuge den Platz am Kamin mit Blick auf die Eingangshalle, denn so kann ich jede Personenbewegung wahrnehmen. Ein Hotelangestellter kommt auf mich zu und reicht mir die heutige Ausgabe der „The Irish Times“. Auf der Titelseite springt mir ein Artikel über das neue europäische Zensurgesetz in die Augen. Seit nunmehr 20 Jahren versuchen einflussreiche Stellen innerhalb der Europäischen Union, zu der mittlerweile auch Russland, Israel und die Türkei gehören, die Verbreitung von gefährlichen Medien zu unterbinden. In den 2010ern hat man nur müde über die chinesische Internetzensur gelächelt, aber verglichen mit heute war das damals keine echte Zensur. Nachdem subversive Quellen, wie WIKI-Leaks, eine unglaublich hohe Menge an sensiblen und streng geheimen Informationen der Öffentlichkeit zugänglich machten, versuchten die Geheimdienste der G45-Staaten diese Datenflut per Gesetzgebung zu stoppen. Da in der Europäischen Union zu viele Behörden nebeneinander arbeiteten, wurde vom EU-Rat eine geheime Musterbehörde ausgewählt und als Vorlage für die anderen europäischen Staaten aufgebaut. Diese Behörde, hinter vorgehaltener Hand nur „Das Ministerium“ genannt, war ursprünglich eher unbedeutend, bis zu dem Zeitpunkt, als Agenten einen geheimen Film sichern sollten und nicht gründlich genug waren, sodass eine Doppelagentin namens HeikeHGW und ihre Organisation encipherhgw ein Exemplar an sich reißen und ins Netz stellen konnte.

Durch diesen an sich harmlosen Fehler der beiden Agenten und durch den schnellen Erfolg, sowie den großen Bekanntheitsgrad der Doppelagentin auf einschlägigen Internetseiten beflügelt, folgte bald der nächste Schlag gegen die staatliche Ordnung.

Kurz darauf erschütterte ein Enthüllungsskandal ungeahnten Ausmaßes die Welt. Eine Gruppe von Hackern, die sich WIKI-Leaks nannte und plötzlich aus dem Nichts auftauchte, gab viele echte und auch viele erfundene Geheimnisse preis. Damals vermutete man einen gewissen J. Assange und eine geheime Hackerclique mit einem Rechenzentrum in Reykjavik hinter dieser Gruppe. Es hat ziemlich lange gedauert, um herauszufinden, dass die Internetspezialisten von encipherhgw aus einem unscheinbaren Einfamilienhaus in Lubmin heraus die Welt zum Narren hielten.

So hat sich die Geschichte schließlich entwickelt und nur die Wenigsten sind in die tatsächlichen Abläufe eingeweiht und können die aberwitzigen Zusammenhänge überhaupt deuten, denn selbst die Chaostheorie wäre bei der konkreten Vorhersage nicht anwendbar gewesen.

Während ich also meinen Morgentee trinke, natürlich anders, als auf der Nachbarinsel, ohne Milch, näherte sich eine unauffällige Mittelklasse-Limousine dem Parkstreifen vor dem Haupteingang. Das Fahrzeug hielt genau vor der Tür an und es stieg ein nervöser junger Mann mit kurzen Haaren und typischem kaukasischen Phänotyp aus. Er sah sich über die Schulter ein wenig zu hektisch um und ging dann zielstrebig ins Foyer. Ein Profi, wie ich, erkennt natürlich, dass dieser Mann ein Grünschnabel im Außendienst zu sein scheint und einer alten Gewohnheit folgend, faltete ich die Tageszeitung auf ein handliches Format zusammen und legte diese auf meine linke Tischseite, sodass ein gutes Stück mein linkes Bein verdeckt.

 

Log Teil B

Ich nahm aus meiner Hemdtasche einen vorbereiteten Zettel und legte diesen auf den Kopf stehend an den Platz mir gegenüber. Meine Rechte hielt ganz gelassen die Tasse mit dem heißen Tee und meine Linke wanderte zu meiner am Oberschenkel verborgenen guten alten Glock G36 mit den durchschlagenden Kaliber .45-Geschossen. Der Mann schlenderte scheinbar ziellos in meine Richtung und setzte sich dann „unerwartet“ auf den mir gegenüberliegenden Platz. Er sah mich an und erwartete scheinbar eine Reaktion und als diese ausblieb bemerkte er den vor sich liegenden Zettel. Nervös hielt er den Zettel umklammert und versuchte an seinen im Jackett steckenden Kugelschreiber zu gelangen. Ich schüttelte den Kopf und stellte meine Tasse ab. Dann hielt ich ihm den Hotelkugelschreiber hin, den ich zuvor vom Concierge „ausgeliehen“ hatte. Eine Schweißperle entstand auf seiner rechten Schläfe und rollte lautlos über sein Gesicht, ehe sie scheinbar in Zeitlupe auf die Tischdecke tropfte. Er schreib mit zitternden Fingern und einer total unsauberen Handschrift einige Worte auf den Zettel, den er mir anschließend zusammen mit dem Kugelschreiber herüber schob. Ich ließ den Zettel am Platz liegen, denn so konnte ich während des Lesens den Mann besser beobachten.

Dort stand geschrieben: „Sander Tamm, 26 Jahre, CM, Bezirk 19“. Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen ließ ich meine linke Hand zum Vorschein kommen und nahm Zettel und Kugelschreiber wieder an mich.

„Du musst einen weiten Weg hinter Dir haben“, sagte ich zu ihm. Sander nickte und jetzt, wo wir die Formalitäten hinter uns hatten, händigte er mir eine bunte Karte mit den Worten „Schöne Grüße“ aus. Ich erkannte sofort an der Farbe der Karte, dass die Grüße von Agent Flieder kamen, der seit kurzem Agent 1313 hieß, aber immer noch seiner alten Farbe nachhing.

Ich steckte die Karte ein, stand auf und legte dem Mâitre ein kleines Trinkgeld auf den Tisch. Dann forderte ich Sander auf, mich zum Auto zu führen und mir die Schlüssel für den Wagen zu geben. Ich stieg also in den recht neuen 5er BMW ein und Sander nahm artig neben mir Platz. Kaum waren die Türen geschlossen, als Sander nicht mehr ruhig halten konnte und sofort mit Fragen auf mich einstürmte. Ich sagte ihm klar und deutlich, dass er die Klappe zu halten habe, bis wir ein paar Meter gefahren sind und dass ich zuvor ein paar Fragen an ihn habe. Nachdem wir ein paar Blocks weitergefahren waren, fragte ich ihn, ob das sein Auto sei, was Sander mit einem gewissen Anflug an Stolz zugab. Er hatte den Wagen vor einem Monat gekauft, nachdem ihm sein alter 5er BMW direkt vor der Talliner Zentrale gestohlen worden war. Naja, was sollte man dazu sagen, die Fahrzeugdiebstähle sind seit nunmehr 25 Jahren ungebrochen hoch und mittlerweile sind auch die mittelständischen Angestellten und Beamten im Osten Europas mindestens genauso häufig davon betroffen, wie die im restlichen Europa, denn der russische Fahrzeugmarkt hatte eine Menge nachzuholen und seit dem die EU-Grenzen nach Osten hin offen sind, kann man unkontrolliert von Brest nach Wladiwostok gelangen .

Ich fragte Sander nach dem Grund seines „Besuchs“ und dieser holte tief Luft und begann seinen Auftrag und seine Botschaft zu wiederholen. Die Doppelagentin HeikeHGW sei nach fast 20-jähriger Abwesenheit plötzlich wieder auf der Bühne erschienen und stiftete mit ihrer Gruppe erneut „Unfrieden“.

Sander berichtete daraufhin von seinem Treffen mit Agent 1313 in seiner Revaler Villa und der Geschichte, die dieser ihm erzählte. Dann gab er mir weitere Details preis, dass das Ministerium beabsichtige, eine Spezialmission durchzuführen, um dieser gewieften Agentin endlich das Handwerk zu legen. Sander erzählte mir, dass wir zunächst für den strategischen Führungsstab geplant waren und durch die Intervention von Agent 1313 doch noch für die operative Feldmission zum Einsatz kommen sollten.

 

Log Teil C

Ort: Hansestadt Stralsund, Deutschland (unbedeutendes Spezialitätenrestaurant)

Zeit: Herbst 2010 (Tag X-1)

Wie so oft saßen FA&FA und ich an diesem Tag beim Döner-Mann unseres Vertrauens am Frankendamm, denn wie meine Mami sagt, ist Döneressen wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man bekommt. Es kann auch sein, dass ich dieses Zitat irgendwo anders gehört hatte… Jedenfalls ging es uns damals ziemlich dreckig, denn die Gelegenheitsjobs, mit denen wir uns über Wasser hielten, konnten uns kaum ernähren. OK, wir hatten bereits ein wenig Erfahrung mit Klettern, Schwimmen und Chiffriertechniken, aber dennoch kamen wir auf keinen grünen Zweig. FA&FA schob mir sein letztes Kleingeld rüber und ich wählte mit dem Hausapparat die Telefonnummer, die ich in der letzten Ausgabe der Ostseezeitung in der Rubrik Jobangebote entdeckt hatte. Mit dicken Lettern stand dort geschrieben, dass eine große Behörde ein paar neue Mitarbeiter im Außendienst einstellen wolle. Das Angebot kam für uns also recht gelegen, nur hatten wir nicht an die Folgen eines so ominösen Angebots gedacht. Blauäugig schlidderten wir in das große Abenteuer und kaum hatte ich die Nummer gewählt, teilte mir eine Bandansage die Adresse für das Vorstellungsgespräch mit. Ich drückte dem Döner-Mann das Kleingeld für das Telefonat in die Hand und machte mich zusammen mit FA&FA zu Fuß auf den Weg zur angegebenen Adresse. Vor Ort angekommen, hätten wir es uns beinahe anders überlegt, denn das „Rekrutierungsbüro“ lag in einer der schmutzigsten Gegenden der Stadt Stralsund. Mit einem mulmigen Gefühl pochten wir an die vermeintliche Sperrholztür. FA&FA fragte mich, welche Behörde hier wohl ein Büro unterhalten würde und machte Witze über die Mafia und das Rotlichtmilieu. Plötzlich ertönte ein schwerer Öffnungsmechanismus und die vermeintliche leichte Sperrholztür glitt zur Seite und uns fiel auf, dass die Tür eigentlich aus einer 5-cm dicken Stahlplatte bestand. Na, dass würde bestimmt heiter werden, scherzte FA&FA. Wir standen in einer Schleuse und wurden durch mehrere Kameras beobachtet. Ich flüsterte FA&FA zu, dass er das nervöse Popeln lassen solle, denn wir wissen noch nicht, mit wem wir es zu tun hatten.

Wir betraten einen weiteren Raum mit einem schweren Schreibtisch und zwei einfachen Holz-Stühlen davor. Hinter dem Tisch saß ein adrett gekleideter Herr und studierte, unberührt durch unser Eintreten, irgendwelche Dokumente. Er sah von seiner Lektüre auf und deutete uns an, Platz zu nehmen. Dann vertiefte er sich wieder in seine Dokumente und wir mussten eine kleine Ewigkeit warten. Dann setzte er seine Lesebrille ab, stellte sich als Agent L vor und erklärte uns unsere Alternativen. In Wahrheit hatten wir mit dem Durchschreiten der Eingangstür, dem Passieren der Schleuse und dem Ausharren auf den Stühlen keine echte Handlungsoption in unserer Hand. Der Mann grinste uns an und sagte: „Gentleman, unterschreiben sie die vor ihnen liegenden Aufnahmedokumente“! Ich machte einen kleinen Scherz über die Kürze des Bewerbungsgespräches und die angenehme Gesprächsatmosphäre, die eher zur britischen Marine des 18.Jahrhunderts passte, als der Mann mit einer Hand unter den Tisch griff und sich kurz darauf eine Tür in unserem Rücken öffnete. Herein kamen zwei schwarz gekleidete Personen mit lässig gehaltenen MP5SDA6-Maschinenpistolen der Firma Heckler und Koch. Wir hatten also die Option zu unterzeichnen oder zu unterzeichnen. Wir entschieden uns für die letztere Variante und der vor uns sitzende Agent L beglückwünschte uns daraufhin zu unserem Beitritt zum Cacheministerium. So waren die Würfel gefallen und wir waren ab sofort echte Geheimagenten. Agent L teilte uns unsere Agentennamen mit und so wurde aus mir Agent Rosé und aus FA&FA Agent Flieder. Danach erklärte er uns den weiteren Ablauf unserer Ausbildung.

 

Log Teil D

Wir sollten uns umgehend bei der Verwaltung melden, damit unsere echten Namen aus allen Registern verschwinden würden und wir eine völlig neue Identität erhielten. Unser nächster Anlaufpunkt war die Ausbildungszentrale, in der wir eine 12-stündige Schnelleinweisung in die für unsere erste Mission erforderlichen Techniken und Taktiken erhalten sollten.

Agent E sollte unsere Ausbildung übernehmen, denn er war für den aktiven Felddienst bereits zu wertvoll und sollte seine Erfahrung lieber an junge Rekruten weitergeben. Er klärte uns über die uns zugedachte Rolle auf und erläuterte die Einsatzparameter für die ersten Missionen. Dann gab es einen Crash-Kurs für Codiertechniken und während wir wieder und wieder ein paar unverständliche Texte übersetzen mussten, fielen mir irgendwann die Augen zu. Ich muss wohl die Aufmerksamkeit von E geweckt haben, denn er holte mich mit einem Linealschlag auf den Hinterkopf zurück aus der Traumwelt und plötzlich hatte ich die richtige Idee für den Text, den ich bisher nicht bezwingen konnte. E nahm das Ergebnis zur Kenntnis und entschied, dass wir reif für unsere Feuertaufe wären. Wir sollten uns in unsere Unterkunft begeben und uns am nächsten Morgen nach dem Frühstück wieder im Büro melden. Ich schlief wie ein Stein und als mich der Wecker aus dem Schlaf riss, registrierte ich, dass die Ereignisse vom Vortag nicht in meiner Phantasie stattgefunden hatten, sondern bittere Realität waren. Nachdem ich schnell etwas gegessen hatte, klopfte ich bei Flieder an die Tür und deutete ihm, sich fertig zu machen. Kaum hatten wir das Haus verlassen, bemerkten wir einen schwarzen Transporter, der zielstrebig auf uns zurollte. Der Fahrer stellte sich als Agent Ocker vor und sagte, dass er der Fahrbereitschaft angehöre und verdammt stolz auf seinen Farbnahmen sei. Nur an einem richtigen Feldeinsatz ließen die Jungs vom Ministerium ihn bisher nicht teilnehmen. Ob das an seiner Körpergröße liegt oder an seinen miserablen Decodiertechniken, bleibt wohl eines der großen Geheimnisse des Ministeriums. Jedenfalls brachte es uns ohne Schwierigkeiten zu unserer Startposition. Während wir uns fertigmachten, erzählte er uns, dass er total neidisch auf uns sei und vieles dafür geben würde, mit uns kommen zu dürfen. Ich blickte zu Flieder rüber und dieser zuckte nur mit den Schultern. Wir waren beauftragt worden, im Zielgebiet mit bereits vor Ort operierenden Agenten Kontakt aufzunehmen und eine kleine Bergungsmission durchzuführen. Was sollte bei so einer langweiligen Aufgabe schon passieren. Ocker war überglücklich und übernahm sogleich die Führung.

Wir näherten uns also vorsichtig dem Objekt an und hörten plötzlich ein paar schallgedämpfte Schüsse und kurz darauf entfernten Kampflärm. O. war mit einem Mal nicht mehr so forsch und ließ uns doch lieber den Vortritt. Wir überlegten, was zu tun sei und warteten zunächst eine Weile ab. Als keine weiteren Geräusche zu vernehmen waren, wagten wir uns ins Objekt und begaben uns auf Spurensuche. Als Erstes fanden wir total zerstörte Räume und sahen deutlich, dass hier kürzlich etwas explodiert sein muss, denn so eine Verwüstung bekommen nicht mal vandalierende Jugendliche hin. Ocker war plötzlich ganz blass und stammelte, dass er noch weitere dringende Fahraufträge hätte und noch mit seinem Hund Gassi gehen müsse. Er verabschiedete sich und war blitzschnell verschwunden. Flieder und ich sahen uns an und wir beschlossen den Geschehnissen auf den Grund zu gehen. Als wir im Treppenhaus angelangt waren, wurden die Kampfspuren deutlicher und wir bemerkten die Einschusslöcher an den Wänden und die überall verteilten Blutspritzer. Wir kamen um die nächste Ecke und fanden den Leichnam eines Agenten des Ministeriums am Boden liegend. Wir untersuchten den Toten und stellten fest, dass hier Agent Türkis lag, der Mann, der nach Aussage von Agent E einen Tag vor uns beim Ministerium angefangen hatte.

 

Log Teil E

.Der Einstellungstag war wohl nicht sein Glückstag gewesen… Wir nahmen die brauchbare Ausrüstung an uns und wollten gerade weitergehen, als Flieder wie erstarrt stehen blieb.

Auf einen Wink hin, deutete er mir, mich nicht zu bewegen und machte irgendwelche Handzeichen. Ich fragte ihn, ob er zuviel Hot Shots gesehen habe, denn seine Handverrenkungen erinnerten mich stark an Topper Harley. Eines seiner dargebrachten Zeichen verstand ich dann doch, denn die Hände in die Taschen gesteckt und mit dem Taschenfutter wieder herausgezogen war allgemein bekannt und nun begriff auch ich, dass wir nach unserer Schnellausbildung eine Station vergessen hatten, die Ausrüstungs- und Waffenkammer. So kam es, dass wir nun im Angesicht der Gefahr mit leeren Händen dastanden. Wir mussten uns also in die Deckung begeben, weil plötzlich Schritte zu hören waren. Wir kauerten uns hinter eine niedrige Mauer am Fußende der Treppe und warteten auf einen günstigen Moment zum Zuschlagen. Der Gegner näherte sich langsam und beäugte misstrauisch seine Umgebung. Wir verschmolzen mit dem Schatten, streng nach dem Tarnschema des Straußes „Kopf in den Sand und man wird nicht gesehen“. Ob es Zufall oder telepathische Begabung war, weiß ich nicht mehr zu sagen, jedenfalls ging der gepanzerte Gegner an uns vorbei. Daraufhin nickte ich Flieder zu und wir wappneten uns zum Angriff. Lautlos sprangen wir den Feind an und ehe er richtig reagieren konnte, hatte ich den Wuxi Fingergriff angewandt und ihn in die Knie gezwungen. Flieder brauchte nur noch kräftig nachzutreten und schon war unser erster Gegner besiegt. Triumphierend nahmen wir ihm ein paar hilfreiche Gegenstände ab und schleiften ihn an einen sicheren Ort. Von jetzt an gingen wir vorsichtiger zu Werke, damit wir keine weiteren bösen Überraschungen erlebten. Wir schlichen an die dunklen Wände geduckt weiter und beschlossen, den lichtlosen Bereich des Kellergeschosses als natürliche Tarnung zu nutzen. Wir waren damals so naiv, dass wir nicht an die Möglichkeit von Nachtsichtgeräten gedacht hatten. Zum Glück rechneten die Infiltratoren wohl auch nicht mit ernsthafter Gegenwehr uns so hatten sie nichts dergleichen dabei. Wir überwanden zahlreiche Sicherheitssysteme teils mit Glück und teils unbewusst, denn auf einen heißen Einsatz sind wir nicht vorbereitet worden. Plötzlich lauschten wir einem verräterischen Dialog zwischen einem Mann und einer Frau, die sich ein wenig uneinig waren, über ihr weiteres Vorgehen. Der Mann wurde als Agent White tituliert und die Frau nur als Doppelagentin (Sie schien ein wenig mehr von dem Geschäft zu verstehen). Wir konnten uns so recht keinen Reim auf die Sache machen und wussten nur, dass es langsam eng wurde und wir schnell den Auftrag ausführen sollten, damit wir ebenso geschwind wieder verschwinden konnten. Wir ahnten damals nicht, wie groß die Verschwörung werden sollte und das war beim damaligen Ausbildungsstand auch gut so. Heute beherrsche ich die gesamten Tierangriffsstellungen und würde mich vor einer Konfrontation nicht scheuen. Wir waren so jung damals und auch so unerfahren, dass es beinahe an ein Wunder grenzte, dass wir heil aus der Sache herauskamen. Wir erreichten schließlich das Ende des Kellers und entdeckten eine erneute Leiche. Agent Lachs hatte sich über den gesamten Treppenabsatz verteilt. Mittlerweile routinemäßig untersuchten wir auch diesen Leichnam und fanden ein paar Dosen mit der Aufschrift „M18 Smoke Lachs“ und wunderten uns zunächst, warum Agent Lachs eine Dose mit Räucherlachs mitgenommen hatte. Flieder spielte an einer Dose herum und hatte plötzlich den vermeintlichen Dosenöffner in der Hand. Aus der Dose entwich sofort ein dichter lachsfarbener Nebel und hüllte uns komplett ein.

 

Log Teil F

Flieder musste kräftig husten und ich zog ihn schnell aus der Wolke heraus. Uns war klar, dass wir die Aufmerksamkeit der Gegner nun vollends auf uns gezogen hatten und liefen in die Richtung, in der wir die geheime Botschaft vermuteten. Wir scherten und nicht mehr um Heimlichkeit und Stille und erreichten schließlich einen Raum mit einem Safe.

Die Kombination hatten wir uns aus dem Briefing gemerkt und schon bald hatten wir die schwere Tür geöffnet und ein paar Datenträger herausgenommen. Plötzlich waren hinter uns ein paar laute Stimmen und das Ladegeräusch von Maschinenpistolen zu hören. Wir nahmen alles an uns, was wir tragen konnten und zündeten die verbliebenen lachsfarbenen Rauchgranaten und setzten uns ab.

 

Ort: Dublin, Irland

Zeit: Herbst 2030

Ich tauchte aus meinen Erinnerungen aus und bemerkte erst jetzt, dass ich fast auf der anderen Seite der Stadt angekommen war. Sander sah mich verdutzt an und sagte, dass ich fast 30 Minuten wie abwesend das Auto gesteuert habe und keine Regung gezeigt hätte. Ich erklärte ihm, dass mich gerade die Vergangenheit eingeholt hatte und ich bereit für einen letzten großen Außeneinsatz war. Ich befragte Sander, ob er weitere Details mitzuteilen hätte und er reichte mir Satellitenbilder und ein Koordinatenpaar in einem braunen Kuvert herüber. Ich warf einen flüchtigen Blick auf die Dokumente und wusste, dass mich ein Wiedersehen mit Agent 1313 erwarten würde. Wie lange hatten wir auf diesen Augenblick gewartet, wie viele falsche Fährten verfolgt. Erst letzten Monat schien es einem Ministeriums-Hacker gelungen zu sein, dass Netz von encipher zu unterwandern und quasi einen Doppeltrojaner einzuschleusen. Agent O, der damalige Fahrbereitschaftsfahrer hatte nach diesem entmutigenden Einsatz die Abteilung gewechselt und auf IT-Sicherheit umgeschult.

Da er in der ersten Phase noch nicht allzu gewieft war, kam es fast ein halbes Jahr zu massiven Datenverlusten, die wir ständig ausgleichen mussten.

 

Daher erfolgt nun dieser verspätete Log ohne echte Reue, denn der Cache ist auch ohne diesen Log eine tolle Sache und auch wir sind gelegentlich Opfer unserer Technik.

 

Danke an das Cacheministerium und schöne Grüße aus Greifswald – RSIS

 

 

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